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Reise Hochsavoyen — auf Hannibals Spuren

Mit einem Rucksack und einer Sportenduro einfach losziehen. Im Süden, hochalpin vielleicht sogar. In gewaltigen Bergmassiven mit über 3000 Metern Höhe, unterwegs auf alten Militärpisten und kernigen Single Trails. Egal, wohin sie führen. Mehr kann ein langes Wochenende kaum bieten.



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Bis wir endlich loskommen, ist es bereits dunkel. Der Wetterbericht hatte gutes Wetter in den Westalpen gemeldet, ein langes Wochenende steht bevor – jetzt oder nie. Bob und Helmut, meine alten Enduro-Kumpel, wollen endlich einmal gemeinsam das Hochsavoyen, im französischen Teil der legendären Westalpen gelegen, unter die Stollen nehmen.
Die Zeit, die wir uns dafür nehmen können, ist leider kurz – bis wir endlich ein gemeinsames freies Wochenende unter einen Hut gebracht haben, verging schon viel zu viel Zeit.
Die Klassiker wie Assietta-Kammstraße oder Mont Jafferau lassen wir deshalb aus – landschaftlich zwar extrem reizvoll, aber fahrerisch nicht wirklich fordernd. Andere Klassiker wie der Mont Chaberton sind inzwischen sowieso bereits Streckensperrungen zum Opfer gefallen. Unsere Konzentration gehört dem französischen Gebiet im Anschluss an das italienische Piemont, dem Val Cenis in Hochsavoyen.
Wir fahren die Nacht durch, unsere drei KTMs auf dem Anhänger im Schlepptau, und erreichen bei Sonnenaufgang das Refuge du Petit Mont-Cenis. Hüttenwirt Francois, wie immer endurofreundlich und bestens informiert über aktuelle Fahrverbote, versorgt uns mit einem deftigen Frühstück und starkem Kaffee. Genügend Energie getankt, die Zweitakter vom Hänger gerupft, und los geht’s. Kaiserwetter – wolkenlos, Freitag früh: das Val Cenis und seine Gipfel gehören uns noch allein. Von der Hütte, die bereits auf 2200 Metern Höhe liegt, schrauben wir uns über einen holprigen Pfad, vorbei an seltsam anmutenden Kratern auf den Col de Sollieres auf 2639 Meter Höhe hinauf. Saftige Almwiesen, der Blick hinunter auf den Lac du Mont-Cenis und das gewaltige Bergmassiv des Petit Mont Cenis mit über 3100 Metern Höhe lassen uns die Müdigkeit abschütteln und im Enduro-Hochgenuss schwelgen.

Gegenüber der Sollieres-Passhöhe reizt uns der Mont Froid mit seiner verfallenen Gipfelfestung. Der ehemalige Versorgungsweg hinauf ist nur noch bruchstückhaft zu erkennen, zugewachsen und von tiefen Furchen unterbrochen, die das Wasser im Laufe der Jahrzehnte in den Berg gefressen hat. Ausgesetzt im Steilhang, ist die flüssige Fortbewegung per Enduro ein Balanceakt zwischen Mut und Geschicklichkeit. Im falschen Moment zu viel oder zu wenig Gas, in den teilweise extremen Spitzkehren gezögert – und die Möglichkeit, die Enduro ähnlich wie beim Rachauer Hillclimbing zu verschrotten, ist groß. Wir spüren alle drei die ungewohnte Höhe, die Luft ist wirklich schon recht dünn auf zwo-acht, und wir schnaufen wie die Walrösser, als wir glücklich die Gipfelruine erklommen haben. Der Blick in die Gegenrichtung raubt uns um so mehr den schon spärlichen Atem: der kühne Gipfel des Dents D’Ambin und der Blick ins Vallon de Savine bis zum Märchen-Bergsee Lac de Savine sind Belohnung für den Schweiß. Die Tour über den Lac de Savine und den Col Clapier hinunter nach Italien, beschrieben in der EnduroABENTEUER-Erstausgabe 2000, ist leider offiziell gesperrt. Bei der empfindlichen Hochmoorlandschaft auch verständlich. Immer bestrebt, möglichst weit oben in den Bergen zu bleiben, umrunden wir das Mont Cenis/Turra-Massiv auf Hirtenwegen, teilweise über Skiabfahrten, bis wir auf die Auffahrt auf das legendäre Fort de la Turra stoßen. Die gewaltige Festung mit seiner markanten Ziehbrücke ist immer wieder Magnet für Enduristen und gestattet durch die Höhlenöffnung auf der Ostseite einen Blick aus dem fast senkrechten Felsabbruch auf den türkisblauen Lac du Mont-Cenis.

Zurück am See, gönnen wir uns nach einer köstlichen, frischen Bergforelle noch eine Spritztour entlang der Südseite des Mont-Cenis Sees über streckenweise mit alten Steinplatten gepflasterte Karrenwege bis zum Lac de Roterel. Die Auffahrten zu den Kriegsfestungen des Mont Malamot und Pattacreuse sind für Motorradfahrer gesperrt, und werden auch von endurisierten Bergpolizisten patroulliert.

Nach rustikaler Nächtigung im Schlafsack-Lager der Petit-Hütte versuchen wir am nächsten Tag, 500 Höhenmeter hinunter bis zum Flusslauf des Ruissau d’Ambin zu gelangen. Kaum wahrnehmbar, finden wir den Einstieg in den über schroffe Steinklippen und zahllose ausgewaschene Spitzkehren verlaufenden Bergpfad. Bergauf nur für Trialprofis möglich, hoffen wir, dass der traumhafte Weg nicht im Nirvana endet. Doch wir haben Glück und gelangen von der kargen Felslandschaft in eine idyllische, kiefernbewachsene Talregion. Mit dicken Armen am Flusslauf angekommen, entdecken wir ein Schild, das auf die historische Alpenüberquerung Hannibals hinweist. Wobei Hannibal mit seinem Heer und den Lastelefanten wohl eher dem Flusslauf gefolgt sein dürfte. Unser soeben bezwungener Steig wäre zwar wohl eine willkommene Abkürzung gewesen, jedoch sicherlich für die antiken Rüsseltiere genauso unbezwingbar wie für die Cagiva „Elephant” der Erzberg.

Wir versuchen uns noch an dutzenden Einstiegen, hinein in Wanderwege, die in Klettersteigen enden, Holzziehwegen, Wildbachbetten etc. Dabei streifen wir die Orte Termignon und Lanslébourg und kehren mit der Gewissheit zurück: es ist noch vieles möglich in dieser Enduro-Traumregion. Es müssen ja nicht nur die altbekannten Westalpen-Ziele sein. Mit einer guten Karte und etwas Pioniergeist versehen, Respekt der Natur und den Wanderern gegenüber, kann dies auch noch in Zukunft funktionieren.





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Datum:07.01.2005
Quelle:Enduro
ID:2418

 

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